Um in größere Tiefen vorzudringen, müssen die Arbeiter wasserführende Sandschichten durchdringen. Schwierigkeiten durch den Einbruch von Schwimmsand führten in der Vergangenheit oftmals dazu, dass Schächte aufgegeben werden mussten und Bergbaugesellschaften in den Ruin getrieben wurden. 1907 hingegen sorgen zwei wichtige Innovationen dafür, dass dass das Abteufen des Schachtes auf Westerholt gelingt: das Gefrierverfahren und die Dampfmaschine. Beim Gefrierverfahren entziehen Kältemaschinen dem wasserführenden Gestein so viel Wärme, dass der Boden rund um den Schacht gefriert. Das gefrorene Gebirge wird dadurch stabil und lässt sich wie festes Gestein sicher durchteufen und ausbauen. Dringt dennoch Wasser in den Schacht, so ermöglicht die Dampfmaschine, große Wassermengen auszupumpen.
Mit beeindruckender Ausdauer und Präzision durchteuft die Abteufmannschaft in einem Jahr das rund 400 Meter mächtige Deckgebirge auf Westerholt. Die Kosten sind enorm: Jeder einzelne Meter des Schachts schlägt mit etwa 800 Mark zu Buche.
Parallel zum Ausbau des Schachtes entsteht die Schachtanlage. Sie wird mit repräsentativen, gründerzeitlichen Backsteingebäuden ausgestattet, die den Machtanspruch und die Bedeutung des staatlichen Bergbaus unterstreichen.
Ansonsten ist die Region zu dieser Zeit hauptsächlich von landwirtschaftlichen Flächen und dem kleinen Dorf Westerholt geprägt. Die Menschen dort empfinden den Einzug des Bergbaus als Segen. Wo zuvor kleine, unbedeutende Bauernschaften das Landschaftsbild prägten, wachsen bald aufblühende Gemeinden und Städte heran. Die Ankunft des Bergbaus bringt nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Hoffnung und Aufbruchsstimmung in die Region.
Festschrift 100 Jahre Bergwerk Lippe, 2007, S. 6,11,29-34
Madynski, Helmut: Bergwerk Westerholt, Bode Verlag, Haltern, 1994, S. 35
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