Die Bundesregierung plant drastische Subventionskürzungen. Die 3300 Bergleute bangen um ihre Existenz, denn Westerholt ist seit Jahren ein Kandidat auf der Schließungsliste. „Die Unsicherheit ist das Schlimmste,“ sagt Hauer Werner Kreft, der in 900 Metern Tiefe schuftet, um seine Frau Bärbel und ihre beiden Kinder zu versorgen. Doch die Löhne reichen längst nicht mehr: Bärbel musste einen 590-Mark-Job annehmen, um das Nötigste zu sichern.
Westerholt und die anderen Zechen des Ruhrgebiets haben eine wichtige soziale Funktion. Jugendliche und Menschen, die es besonders schwer haben, im Berufsleben fußzufassen, erhalten in den Montanbetrieben eine gute Ausbildung und schöpfen Selbstbewusstsein aus ihrem Arbeitsleben. Auch die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gelingt im Bergbau besonders gut, da unter Tage alle Kumpels gleich sind.
So geht nun die Angst vor dem sozialen Abstieg um. Gewerkschaften mobilisieren, doch die Aussicht auf ein Überleben des Bergwerks schwindet. Jeder verlorene Arbeitsplatz könnte bis zu zwei weitere kosten und unabsehbare soziale Folgen haben. Die Bergleute fürchten um ihre Würde: „Wir können doch nicht alle Pizzen ausliefern,“ klagt ein Kumpel verzweifelt.
Martin Bommersheim, Wenn der Pütt stirbt, ist auch die Stadt tot, WAZ Mantel aus dem Westen vom 7.11.1996